Millennia - Test/Review
Die Menschheit - mal eine Erfolgsgeschichte, mal eine Aneinanderreihung schlechter Entscheidungen. Die Mischung macht's, mhm?
Von Lars Hack am 20.04.2024 - 04:59 Uhr

Fakten

Plattform

PC

Publisher

Paradox Interactive

Entwickler

C Prompt Games

Release

26.03 2024

Genre

Strategie

Typ

Vollversion

Pegi

12

Webseite

Preis

39,99 Euro

Media (14)

Konkurrenz für Civilization?


Die Menschheit - mal eine Erfolgsgeschichte, mal eine Aneinanderreihung schlechter Entscheidungen. Die Mischung macht's, mhm? In Millennia, dem zuletzt von Paradox-gepublishten Titel, übernehmen wir die Geschicke der Menschheit... Oder zumindest einer Kultur. Wartet hier ein Rivale für Genre-Gigant Civilization? Eher nicht, aber sprechen wir mal im Detail drüber.

Vom Anfang bis Ende


Ein paar tausend Jahre liegen vor uns, wenn wir in Millennia eine neue Runde starten. Von der Steinzeit an starten wir mit einer Zivilisation, die zunächst einmal alles sein kann. Wir wählen aus einem Set aus Startboni, wie stärkerer Produktion oder mehr Forschung, um unsere Zivilisation zu starten. Auch können wir den späteren optischen Stil unserer Städte auswählen. Und dann? Dann geht es los. Wie man es vom Anfang der Menschheit gewohnt ist, passiert das relativ chaotisch. Je nachdem, wie unsere Zufälle Startposition ausschaut, können wir am Meer starten, auf weiten Steppen oder zwischen hochaufragenden Bergen. Natürlich schicken wir direkt unsere mutigen Krieger und Kundschafter los, legen erste Bauprojekte fest und beginnen, zu forschen. Es gibt viel zu entdecken auf unserem Weg, eines Tages die mächtigste und fortschrittlichste Zivilisation der Welt zu sein. Zu Beginn entdecken wir recht genretypisch die Welt. Wir schlagen uns mit wilden Barbaren herum, entdecken friedliche Dörfer und die Boni, die sie uns zur Verfügung stellen können, sowie schalten die ersten Schritte auf dem Weg des Fortschritts frei: Versammlungshüten, organisierte Arbeit, solche Sachen eben. Dabei treffen wir vermutlich auch ziemlich schnell auf andere Zivilisationen. Nicht nur wir haben einen Anspruch auf die Welt erhoben - eine Menge KI- oder menschen-gesteuerter Reiche eifert mit uns um die Weltherrschaft. Vor uns liegen ein paar Hundert Jahre der Entwicklung. Halten wir uns dabei an die reguläre Entwicklung der Menschheit? Schmieden wir Eisen zu mächtigen Waffen des Krieges? Oder begehen wir eher fantastische Wege, indem wir beispielsweise in Zeitalter der Helden eintreten? Das alles obliegt ganz uns, unserem Spielstil und wie gut wir mit dem Unwillen der Welt und unseren rauflustigen Nachbarn zurechtkommen. Kein Preis wird ohne große Mühe errungen. Und welch größeren Preis gibt es, als eines Tages die ganze Welt unter uns zu vereinen?

Krieg, Diplomatie und Pferde


Millennia folgt in den großen Fußstaben von Genrekollegen (und Größen) wie der Civilization-Reihe. Deswegen werde ich die herkömmlichen Spielprinzipien nur anschneiden, um danach etwas mehr über die Neuerungen und Innovationen zu sprechen. Zunächst einmal unsere eigene Kultur und ihr Fortschritt. Wie in ähnlichen Spielen breiten wir unseren Einfluss durch das Errichten von Städten aus. Wir entdecken Naturwunder, looten neutrale Dörfer für Forschungen oder andere Boni und begegnen Feinden (anfangs vor allem Barbaren) auf den Schlachtfeldern. Haben wir unsere Einheiten erstmal in den Kampf gesandt, wird rundenbasiert Schaden ausgeteilt und eingesteckt. Wie erfolgreich wir dabei sind, hängt von der Kampfkraft der Einheit und den Umständen ab. Katapulte zum Beispiel sind stärker im Angriff gegen Stadtbefestigungen und Mauern. Außerdem ernten wir, was das Land uns gibt. Mit Sägemühlen verstärken wir unsere Wirtschaft auf Waldfeldern, Farmen und Ranches bieten Boni aus Weizen, Pferden und anderen Ressourcen und je nachdem, wie es um unsere Forschung steht, entdecken wir neue, bessere Ressourcen, die es zu beackern gilt. Anfangs sehen wir nicht alle Möglichkeiten, die unser Land uns bietet. Erst mit der Zeit werden uns die zahlreichen Geheimnisse um uns herum offenbart. Kommen wir aber zu ein paar der Neuerungen. Beispielweise die Währungen oder, besser gesagt, unsere Erfahrungen. Neben dem Klassiker Geld horten wir auch diese Fortschrittswährungen. Diese können zum Beispiel Erfahrungspunkte für Regierungen, Entdeckungen oder Diplomatie sein. Unsere Gebäude und Entscheidungen geben uns mal einen regelmäßigen Schub für diese Erfahrungspools, mal große Mengen. Haben wir genug Punkte im Pool, können wir spezielle Fähigkeiten nutzen. Mit einer gewissen Menge an Regierungs-EP beschwören wir zum Beispiel Siedler, die neue Städte errichten. Ein normales Ausbilden dieser Einheit, wie in Civilization, ist nicht möglich. EP in Diplomatie kann für das Bestechen von neutralen Armeen verwendet werden, EP in der Kriegsführung erlaubt uns das schnelle Ausbilden von Kriegern und so hat jeder EP-Pool seine Daseinsberechtigung. EP kann aber noch mehr, wenn wir sie mit dem Nationalgeist-System von Millennia verbinden. Wir beginnen als eine Steinzeit-Zivilisation aus Stämmen. Während wir durch die Zeitalter fortschreiten, werden uns neue Regierungs- und Gesellschaftsformen aufgetan. Diese haben stets eine Zugehörigkeit zu einer der EP-Formen. Wählen wir beispielweise den frühen Nationalgeist Krieger, haben wir einen überschaubaren Fähigkeitsbaum, der uns neue Einheiten erlaubt, aber auch passive Boni gewährt. Um in diesem Fähigkeitsbaum voranzukommen, geben wir die jeweilige Erfahrungswährung aus - für Krieger ist das eben EP aus dem Pool Kriegsführung. Eine weitere nette Änderung ist die Art und Weise, wie wir unsere Grenzen in die Welt hinausschieben. Neben wichtigen Städten können wir auch Kleinstädte ausheben. Diese benötigen keinen Siedler, sondern nur den Einsatz unserer Kulturkraft. Sind unsere Bewohner glücklich und haben wir die passenden Gebäude gebaut, sammeln wir Kulturpunkte. Ist die Leiste voll, benutzen wir spezielle Fähigkeiten, wie einen Boost für unsere Forschung, die friedliche Revolution zu einer neuen Regierungsform oder eben das Ausheben einer Kleinstadt. Diese schiebt unsere Grenzen in die Welt hinaus, ermöglicht uns den besseren Zugang zu Ressourcen und ist natürlich auch immer ein gefundenes Fressen für unsere Feinde in Kriegen. Auch die Zeitalter sind zu erwähnen. Das ganze Spiel kann recht klassisch der menschlichen Entwicklung nachverlaufen. Erfüllen wir aber spezielle Ziele, wie eine gewisse Anzahl an Naturwundern, können wir spezielle Zeitalter ausrufen, wie das der Helden. Dann bekommen die Spielerreiche mächtige Helden, die auf Quests ausziehen können und dadurch immer stärker werden. Andersrum können wir aber auch in schlechte Zeitalter geraten, wenn unsere Bewohner zum Beispiel krank sind oder unsere öffentliche Ordnung so niedrig ist, dass wir Krisen bekommen. Eine altbekannte Mechanik, die das Genre in vielen Fällen hinter sich gelassen hat, hat übrigens wieder ihren großen Auftritt. Befehligen wir unsere Armeen, machen wir das nicht Einheit für Einheit. Zu Beginn können wir bis zu drei militärische Einheiten zu einer Armee zusammenführen. Durch Forschung erhöhen wir diese Anzahl später und verstärken damit auch unsere Schlagkraft. Das Armee-Stacking ist also wieder zurück!

KI? Kaum so zu nennen


Leider, für all die Civilization-Vergleiche, die ich bisher gebracht habe, fällt Millennia wieder und wieder zu Boden. Der kürzere Part zuerst: die guten Dinge. Der Soundtrack zum Beispiel. Ruhige Stücke wechseln mit getragener, majestätischer Musik und fangen die Aufs und Abs unseres Reichs treffend ein. Auch das Erfahrungssystem, in dem wir unser Reich sozusagen in den verschiedenen Bereichen des Fortschritts “aufleveln”, bringt frischen Wind in das Spiel, das dadurch von Genrekollegen abgehoben wird. Andere Bereiche des Spiels erklären aber die eher zurückhaltenden Nutzerreviews online. Zum einen ist die KI des Spiels eher schlecht entwickelt. Bots gleichen fehlenden Tiefgang mit purer Aggression aus. Selbst, wenn wir unseren Abstand von NPC-Reichen halten, sehen sie jede Sekunde unserer Existenz als Beleidigung an. Kein guter Nährboden für diplomatische Beziehungen. Auch die Schwierigkeitsgrade ändern daran nur bedingt etwas, da diese eher ein Indikator davon zu sein scheinen, wie sehr die KI schummeln darf, um gegen menschliche Spieler zu bestehen. Um sich nicht nur auf das Ringen der Nationen zu fokussieren, hält auch Millennia die Genre-traditonellen Barbaren bereit. Die sind, wie in anderen Spielen, oft gut unter Kontrolle zu halten. Außer natürlich, ein anderes Reich löst, ganz ohne unser Zutun, ein katastrophales Event aus. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass an allen unseren Städten Barbareneinheiten spawnen. Von jetzt auf gleich kann ein guter Run in eine Katastrophe übergehen, ohne dass wir präventiv dagegen handeln können. Auch auf Animationsseite schwächelt Millennia. Es gibt keine animierten Herrscher, die uns Kultur-getreu ansprechen, nur recht schlichte Diplomatie-Menüs. Kommt es zum Kampf, staken Krieger als steife Figuren herum, schlagen ihr optisch unterwältigendes Auto-Battle und reißen uns nicht wirklich mit. Dazu kommen Abstürze, die wir im Test gelegentlich hatten und ein Multiplayer, der mit die größte Enttäuschung sein dürfte. Diese Art von Spielen lebt davon, dass wir sie mit anderen Spielern zusammen genießen. Gemeinsam um die Herrschaft wetteifern. Millennia bietet uns aber nur einen Hotseat-Spielmodus. Ein Multiplayer-Modus mit simultanen Zügen ist im Hauptmenü angekündigt, aber nur für die Zukunft geplant. Deswegen nehmen wir für den Moment auch Multiplayer aus unserer Wertung heraus - gut würde Millennia dabei nicht abschneiden. Das alles ist recht schade. Millennia hat wirklich gute Ideen, spannend-wirkende Konzepte, die aber einfach unausgereift wirken für den Moment. Das kann alles gebalanced, gepatcht und erweitert werden. Aber dann müssen die Entwickler sich jetzt echt ranhalten. Auch ein paar der eher klassischen Einstellungen könnten etwas Liebe vertragen, wie die Auswahl an Karten oder detaillierte Szenario-Einstellungen.

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